Teil II

von Ute Darmer

Besuchen wir einmal eine 1. Klasse in der Eurythmiestunde. Da sind so viele unterschiedliche Menschenkinder beieinander! Alle wollen sie etwas tun: Wir lernen, wie das Pferdchen hoch springen kann, aber auch, wie es gezügelt anhalten muss. Wir lernen, im Rhythmus gestalteter Sprache mit den Zwergen zu klopfen, mit großen Riesenschritten durch die Märchenwelt zu stapfen und – ja, wir lernen fliegen, fast ohne Füße! Was tun die Kinder in all diesen Dingen? Sie lernen – jedes auf seine Weise – ihren Leib im Bewegen kennen. Und sie lernen sich zu orientieren in ihrer Umgebung. Denn nicht so ganz leicht ist es für viele Kinder, ihren Ausgangsplatz im Kreis am Ende einer Runde sicher wiederzufinden.

Wir formen auch Gebärden, reine eurythmische Lautgebärden, hervorgeholt aus unserer menschlichen Sprache. Die Worte werden von der Lehrerin gesprochen, die Kinder führen still die „Laute” aus, zusammen mit ihrer Lehrerin. Scheint dieses Bewegen mit Armen und Händen einfach zu sein, so fordert es doch von den Kindern eine große innere Wachheit und Aktivität. Diese heißt es in jeder Stunde eine kleine Zeit lang aufzubringen. Da leuchten dann die Momente wirklichen Erziehens der eigenen Seele auf. Ja, das tun die Kinder schon in jungen Jahren: Sie erziehen in diesem Formen der Sprachlaute ihr eigenes seelisches Inneres!
In den folgenden Jahren wachsen die Kinder tiefer in dieses besondere eurythmische Bewegen hinein. Da gibt es verschiedene pädagogische Übungen, die z. B. jeweils vier Kinder miteinander ausführen. In der 3./4. Klasse merken sie nun schon ganz gut, was es heißt, sich gemeinsam zu bewegen. Ist einer zu schnell, oder passt ein anderer nicht auf, so kann das Ganze nicht recht gelingen. Wie beglückend aber, wenn die Kinder herausgefunden und auch umzusetzen gelernt haben, was zu tun ist, damit alle in ihrem Bewegen zusammenschwingen. Dann möchten sie diese Übung immer wieder und wieder machen, weil sie sich in ihr wohlfühlen und spüren, wie sie in ihrem Inneren und Äußeren – in ihrer Seele und ihrem Leibe – daran wachsen können.
Im 4. Schuljahr wird nun auch das musikalische Klingen für die Kinder bewusster eingesetzt. Wurde früher vieles Bewegen im Wechsel mit der gesprochenen Sprache mit Musik am Glockenspiel oder Klavier einfach begleitet, so lernen wir jetzt die Tonleiter mit den Namen ihrer Töne ( C, D, E … ) kennen. Im Raumbewegen kommt das Achten auf den Melodie – Rhythmus und das „Voraushören” des Endes hinzu. Ein wichtiges Element sind zudem große gelaufene Formen. Ein Kind führt z. B. eine große gelaufene Acht an (dies wurde früher einzeln geübt), alle Kinder folgen: Was passiert, wenn die Form sich kreuzt? Ein spannender Moment für sie: Ich brauche Mut, durch die Reihe der Anderen hindurchzuschreiten und darf meinen Weg nicht verlieren. Dieses Kreuzen des eigenen Weges führt die Kinder auf sich selbst zurück, stärkt ihr Eigenes, das sich dennoch in die vorhandene Welt einfügen soll.