Ob Schülerinnen und Schüler die Schreibschrift oder die Druckschrift erlernen sollten oder beide und wenn, dann wann, wird schon lange sehr kontrovers diskutiert.

Heiko Düster, Lerntherapeut an unserer Schule, berichtet von seinen Erfahrungen*.

Die jetzige Situation ist folgende:

Jedes Bundesland entscheidet selbst wie verfahren wird. In manchen Ländern (auch in NRW) entscheidet jede Schule oder jede Lehrkraft, wie sie verfahren möchte. Zur Auswahl stehen, die Druckschrift, die Schulausgangsschrift, die vereinfachte Ausgangsschrift, die Grundschrift und die lateinische Ausgangsschrift.

Ganz unabhängig davon, welche Schrift ein kleines Kind erlernen soll, es ist mühselig und anstrengend.

Die Befürworter der Druckschrift argumentieren, dass die Druckschrift schneller zu Erfolgen führt und deshalb für Kinder die beste Variante ist. Außerdem werden die Kinder immer wieder mit Druckbuchstaben konfrontiert, weil diese überall zu lesen sind. Schreibschrift dagegen wird bestenfalls als Handschrift der Eltern wahrgenommen. Die Druckschrift fördere daher das schnelle Lesen- und Schreibenlernen.

Außerdem sei die gebundene Schreibschrift kompliziert und eine motorische Herausforderung, die den Kindern nicht mehr zuzumuten sei, weil die wertvolle Zeit in der Schule besser für wichtigere Themen verwendet werden sollte. Auch vor dem Hintergrund, dass die feinmotorischen Fähigkeiten der Kinder rückläufig sind.

Nicht zuletzt wird angeführt, dass die Kinder im Zeitalter der Digitalisierung lieber das schnelle Tippen auf der Tastatur erlernen sollten, bzw. dass, in nicht allzu ferner Zukunft, das Schreiben und Lesen durch Computer ausgeführt wird und daher nicht mehr zwingen erlernt werden müsse.
Ich habe in den vergangenen Jahren folgende Beobachtungen gemacht:
1. Die Schrift, die ein Kind als erste lernt, behält es in den meisten Fällen bei, auch wenn es später noch eine andere Schrift kennenlernt.

2. Wenn man sich für eine gebundene Schreibschrift entscheidet, muss die Druckschrift nicht noch zusätzlich lange beigebracht werden, weil sie sehr einfach ist und sehr häufig auftaucht. Eine kurze Einführung genügt meistens.

3. Wenn ein Kind bei der Schreibschrift eine sehr unleserliche Schrift hat, hat es die auch bei der Druckschrift. Ich kenne kein Kind, dass sehr unsauber Schreibschrift schreibt und eine gestochen scharfe, saubere Druckschrift abliefert. (Es sei denn, es hat die Schreibschrift nie richtig gelernt).

4. Viele Kinder mit graphomotorischen Schwierigkeiten halten bei der Druckschrift den Abstand zwischen den Buchstaben im Wort nicht ein. Das macht das Lesen sehr mühselig und man kann häufig die Wortgrenzen nicht erkennen.

5. Bei der Schreibschrift werden nicht einzelne Buchstaben isoliert verschriftet, sondern Buchstabenfolgen, die sprachlichen Einheiten, überwiegend Silben und Morphemen, entsprechen. Das hat positive Auswirkungen auf die Sprach- und Rechtschreibkompetenz von Kindern. Deutsche Wörter bestehen meistens aus einem Anlaut, einer Signalgruppe und einem Auslaut. Dazu kann eine überschaubare Anzahl an Vor- und Endbausteinen kommen. Ein Beispiel: das Wort „zahlen“ besteht aus dem Anlaut <z>, der Signalgruppe <ahl> und dem Auslaut <en>. Man könnte nun den Vorbaustein <be> kombinieren. Der schwierigste Teil eines Wortes ist immer die Signalgruppe. Hier entstehen die orthographischen Gemeinheiten. Bei unserem Beispiel das Dehnungs-h. Das gleiche gilt für das Wort „retten“. Die Signalgruppe ist <ett>, weil der Vokal e kurz ist folgen ihm zwei Konsonanten. Wenn ich nur einen höre, muss ich diesen verdoppeln – also <ett>. Das ist schwierig zu lernen. Wer eine gebundene Handschrift erlernt, setzt zwar durchaus beim Schreiben einige Male den Stift ab, die Signalgruppen werden jedoch meisten durchgeschrieben, ohne den Stift abzusetzen. Dadurch wird unser motorisches Gedächtnis aktiviert. Wir erinnern also eine Schreibweise auch über den Bewegungsablauf. Das ist natürlich nicht die einzige Erinnerungsquelle aber eine zusätzliche Möglichkeit die Anzahl der Rechtschreibfehler zu minimieren.

Gebundene Schreibschrift vs. Vereinfachte Ausgangsschrift

Man merkt schnell, ich bin ein Befürworter der gebundenen Schreibschrift. Damit meine ich ausdrücklich nicht die Vereinfachte Ausgangsschrift oder die Schulausgangsschrift. Hier wurde der Versuch unternommen eine Synthese aus der gebundenen Schreibschrift und der Druckschrift herzustellen. Das ist gelungen, denn man hat die schlechten Eigenschaften beider Schriftformen genommen und diese kombiniert. Die Buchstaben werden einzeln gelernt und nicht in einem Zusammenhang hochwahrscheinlicher Buchstabenkombinationen. Das spätere Zusammenschreiben ist möglich und auch erwünscht, wird aber idR von den Kindern abgelehnt. Außerdem sieht die vereinfachte Ausgangsschrift auch noch unmöglich aus und ist sehr schwer zu entziffern.
Es freut mich sehr, dass an der Rudolf Steiner Schule Mönchengladbach zwei Klassenlehrerinnen entschieden haben, die lateinische Ausgangschrift von Anfang an zu vermitteln und ich beobachte die Entwicklung mit großem Interesse.
Herzliche Grüße

Heiko Düster

*Heiko Düster leitet mit Birgit Schlumberger das Lerntherapeutische Institut in Aachen und ist seit 1998 an der Schule als Lerntherapeut. Er begleitet die Entwicklung der Schreibschrift an verschiedenen Schulen. Frau Bühl und Frau Rückert haben mit ihren Klassen in der ersten Klasse mit der gebundenen Schreibschrift begonnen.