Immer früher, immer mehr: Millionen von Kindern benutzen bereits Smartphones, Tablets und Apps. Förderung oder Gefährdung? Ein kreativer Zeitvertreib oder der direkte Weg in die Mediensucht? Und sind Smartphones ab 10 Jahren wirklich ein Muss?
Der „Wochenbrief“ – Schwerpunkt sucht gemeinsam mit Experten Antworten.

Thema heute: Das erste Smartphone – aber bitte nicht vor 14!

„Die Kindheit ist zur kurz, um sie an ein Smartphone zu verschwenden“
 – sagen die GründerInnen der Initiative „Smarter Start ab 14“. Ein Verein, der bundesweit Eltern auf seiner Internetplattform vernetzen will, die ihren Kindern frühestens mit 14 Jahren ein Smartphone kaufen möchten. Der „Wochenbrief“ hat mit der Juristin und Initiatorin Verena Holler gesprochen.

Frau Holler, sie besuchen regelmäßig Schulklassen, auch die der Waldorfschule Ihrer Kinder, um das Konzept von „Smarter Start ab 14“ vorzustellen. Warum ist das nötig?

„Wir sind erstaunt, wie wenig Eltern über das Gefahrenpotential eines Smartphones wissen. Da klären wir über Fakten wie Cybergrooming, Konzentrationsprobleme oder Suchtpotential auf. Viele möchten auch nicht die einzigen sein, die ihren Kindern kein Smartphone mit 9 oder 10 Jahren kaufen. Der soziale Druck ist enorm und Eltern, die mittlerweile lieber Freunde sind, fällt ein Nein heute schwerer als früher. Außerdem gibt es keinen gesellschaftlichen Konsens mehr darüber, was gut oder schlecht für Kinder ist. Da wollen wir den Eltern den Rücken stärken, die es im Grunde anders machen wollen und zeigen, dass es Alternativen gibt.“

Welche sind die Alternativen, wenn laut Studien 75% aller 10-jährigen bereits ein Smartphone haben?

„Das ist eben das Problem, wenn sich Eltern mit der angeblichen Alternativlosigkeit abfinden. Daher haben wir die Initiative „Smarter Start“ gegründet. Auf unsere Seite können sich Gleichgesinnte registrieren und werden dann von uns benachrichtigt, wenn sich Eltern aus der gleichen Jahrgangsstufe melden. Wer keine Angst mehr haben muss in der Minderheit zu sein, kann sich besser dem wachsenden Druck entgegenstellen – selbst wenn Sportvereine und weiterführende Schulen ein Smartphone für gegeben halten oder sogar einfordern. Auch das übliche Argument „Alle haben ein Handy“ funktioniert dann nicht mehr. Und niemand muss befürchten, dass das eigene Kind zum Außenseiter wird, nur weil es erst mit 14 Jahren ein Smartphone bekommt.“

Erst ab 14 Jahren – diese Zahl markiert bei Ihrer Initiative die Grenze…

„Ja, genau. Wir haben ein Jugendschutzgesetz das ganz klar regelt: wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist noch ein Kind. Ich verstehe immer nicht die Hast der Eltern, möglichst alles früh einzuführen. In der Kindheit sollen – das sagen Hirnforscher und Psychologen – vor allem viel Erfahrungen in der realen Welt gemacht werden. Da schließen sich sonst, wie beim Spracherwerb auch, ganz viele Fenster. Außerdem sind Wissenschaftler davon überzeugt, dass Kinder ab 14 viel kontrollierter mit einem Smartphone umgehen können. Das habe ich auch bei meinem eigenen Sohn gesehen. Übrigens: Das Smartphone wurde nur für Erwachsene erfunden. Damals hätte sich keiner vorstellen können, dass dieses Gerät mal in der Schultüte landet.“

Also sind nur die Eltern gefordert?

„In der Tat haben wir Eltern es in der Hand. Es ist unsere Entscheidung, ob wir unseren Kindern ein Smartphone kaufen oder nicht. Aber auch die Schulen stehen in der Pflicht. Ein Elternabend oder ein Medientag reicht da lange nicht aus. Wir brauchen ein Unterrichtsfach „Medienkompe- tenz“. Da Kinder heute sehr früh mit der digitalen Welt in Berührung kommen, sollte das realistischerweise bereits in der 3. Klasse passieren.
Sinnvoll ist es auch auf jeden Fall, wenn Schulen klare Grenzen ziehen. Denn Studien haben gezeigt, dass selbst das ausgeschaltete Smartphone im Rucksack Konzentration abzieht.“

Elternnetzwerke, ein Unterrichtsfach „Medienkompetenz“ sind wichtige Säulen, wenn es um die gesunde Entwicklung unserer Kinder im digitalen Zeitalter geht. Und was ist, wenn für Kinder durch Freunde und Mitschüler der Gruppendruck dennoch zu groß wird?

“Es hilft schon, wenn die Kinder sehen: es gibt auch andere in der Klasse, die kein Smartphone haben. Da kann unsere Initiative wie ein Schneeballsystem funktionieren. Erzählen Sie ihren Kindern von Jugendorganisationen, die sich gegen digitalen Stress zusammentun. Die gibt es nämlich schon. Und fragen Sie ihr Kind mal, wann es selbst seinen eigenen Kindern ein Smartphone geben würde? Sie werden vielleicht eine spannende Antwort bekommen!“

Für mehr Infos: Smarter Start ab 14 

Im nächsten WoBri: „Heute schon geliked? – im Sog von Social Media“ ein Gespräch mit Dr. Robert Neumann, Dozent für Medienpädagogik an der Freien Hochschule Stuttgart