DIE 12 SINNE IN DER WALDORFPÄDAGOGIK
GEHÖRSINN UND SPRACHSINN

Am Morgen erklingen und schallen die Klänge der Flöten und Gesänge aus den Klassenräumen in den Flur hinein und lassen einen lauschen. Am Nachmittag trifft sich das Orchester und es erklingen Geigen, Trommeln, Gitarren und Xylophone und jeder hörbare Klang wirkt tief im Inneren des Körpers. Entweder bringt das Erhörte die Innerlichkeit des Körpers zum Erzittern oder es beruhigt, in jedem Fall werden Emotionen ausgelöst. Das Gehörte wird im Inneren empfangen und jeder trägt diese Empfindungen wiederum nach außen.
Der Gehörsinn und der Sprachsinn gehören zu den oberen Sinnen, den Erkenntnissinnen, die auch soziale Sinne genannt werden. Man lernt zu spüren, wie es einem selbst und anderen geht. Die oberen Sinne sind mit dem Denken und dem Bewusstsein verwandt. Die Entwicklung der unteren Sinne bilden das Fundament und geben eine innere Struktur, auf der die oberen Sinne aufbauen.

Das Ohr ist das zuerst entwickelte Sinnesorgan. Es kann bereits ab der 18. Woche im Mutterleib Geräusche und Töne aufnehmen, ein Wunderwerk mit vielen Aufgaben.

Durch die besondere Anordnung auf beiden Seiten des Kopfes trägt es die wahrzunehmenden Geräusche und Klänge aus der Umwelt über die Ohrmuschel weiter durch den Gehörgang und schließlich durch das Innenohr an das Gehörzentrum in das Gehirn. Zudem registriert das Ohr die Lageveränderung des Körpers, das Gleichgewicht.
 
Im Laufe seiner Entwicklung lernt das Kind Geräuschquellen konzentriert zu lauschen, diese zu differenzieren, räumlich einzuordnen und ähnlich klingende Buchstaben wie d und t sowie g und k voneinander zu unterscheiden. Auch lernt es, Wörter in sinnvolle Einheiten, dann weiter in ganze Sätze, Melodien oder Intervalle bis hin zu ganzen Geschichten oder Musikstücken zusammenzusetzen.

In den schulischen Lernprozessen hat das Zusammenspiel der Sinnesentwicklung eine große Bedeutung. Der Sprachsinn baut auf der erworbenen Entwicklung auf. Das Gehörte wird aufgenommen und der Sprachsinn bekommt die Aufgabe das Aufgenommene, die Sprache und Texte zu differenzieren und richtig einzuordnen. Auch die erlernten Emotionen, Mimik und Gestik gehören zur Verarbeitung des Sprachsinns, es geht darum, diesen im Gesamtzusammenhang als Sinn zu transportieren.

Im rhythmischen Teil des Hauptunterrichtes werden unter anderem viele Gedichte und Reime gesprochen und geklatscht. In der Eurythmie gibt es zu jedem Buchstaben eine begleitende Bewegung. Bei den Klassenspielen werden Mimik und Gestik zusammengefügt und eingeordnet.   
Für einige Kinder ist es eine große Herausforderung, sich in der Buchstabenwelt zu orientieren. Hier hilft es, den Kindern eine innerliche Stütze zu geben, indem die Buchstaben mit den Lautgebärden begleitet werden.

Mira Riedel
Förderlehrerin