In den Sommerferien war unsere Schule Gastgeberin für eine ganz besondere Bewegung: Die Tour de Natur, eine zweiwöchige Fahrraddemonstration, die seit über dreißig Jahren quer durch Deutschland rollt, machte für drei Tage bei uns Station. Rund 120 Teilnehmende schlugen ihre Lager in der Turnhalle und draußen in Zelten oder Hängematten auf. Unser Schulgelände wurde so für kurze Zeit zu einem lebendigen Camp voller Austausch, Musik, Workshops und Diskussionen.

Die Tour de Natur ist nicht einfach eine Radtour, sondern ein rollendes Protestzeichen und eine mobile Ideenwerkstatt für Umwelt, Frieden und soziale Gerechtigkeit. Sie entstand 1991, als Engagierte in Thüringen gegen den Bau der „Thüringer-Wald-Autobahn“ protestierten. Die Idee: Mit Fahrrädern ein sichtbares Zeichen gegen den Flächenfraß, gegen die Abhängigkeit vom Auto und für eine nachhaltige Mobilität setzen. Aus den anfänglichen 30 Radfahrenden ist längst eine feste Institution geworden: Jedes Jahr schließen sich rund 100 bis 150 Menschen an, radeln zwei Wochen lang durch eine Region und besuchen unterwegs Initiativen, Umweltgruppen und Betriebe.

Im Mittelpunkt steht der Einsatz für eine klimafreundliche Verkehrspolitik und eine echte Energiewende. Die Tour wendet sich gegen fossile Energieträger und Atomkraft, fordert sichere Radwege und den Ausbau der Bahn. Sie macht sich stark für eine ökologische Landwirtschaft, gegen Lebensmittelverschwendung und versteht sich zugleich als Friedensbewegung – in Kriegen, so betonen die Organisierenden, verlieren Mensch und Natur gleichermaßen.

Besonders eindrücklich ist die Art, wie die Tour organisiert ist: basisdemokratisch, selbstverwaltet und gemeinschaftlich. Alle bringen sich nach Kräften ein – sei es bei der Planung, Kinderbetreuung, Öffentlichkeitsarbeit oder im Küchen- und Aufräumteam. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, Verantwortung wird geteilt, und viele erleben genau das als befreiend.

Die Versorgung der Radlerinnen und Radler übernahm während ihres Aufenthalts in Mönchengladbach die Fläming Kitchen, eine mobile Aktionsküche aus der Region südlich von Berlin. Sie hat sich darauf spezialisiert, politische Bewegungen mit frisch gekochten, veganen Mahlzeiten zu unterstützen – oft mit Lebensmitteln, die im Handel aussortiert würden. Für uns bedeutete das: drei Tage lang abwechslungsreiche, leckere Verpflegung, die zugleich zum Nachdenken über unseren Umgang mit Lebensmitteln anregte.

Neben dem Essen war auch das kreative Programm der Tour eine Bereicherung. In Workshops konnten die Teilnehmenden  Silberschmieden, Drechseln, Orchester oder Theater ausprobieren. Damit wurde sichtbar, dass es bei der Tour nicht nur um Politik geht, sondern um ein ganzheitliches Erleben: Handwerk, Kunst und Gemeinschaft als Teil einer Bewegung, die Alternativen vorlebt.

Die Tour de Natur hat im Laufe ihrer Geschichte viele Etappen erlebt. In den 1990er-Jahren wuchs die Zahl der Mitfahrenden rasant, teils nahmen bis zu 300 Menschen teil. Später stabilisierte sich die Zahl bei etwa 150, doch der Geist blieb derselbe: friedlich, bunt und unaufhaltsam. Immer wieder standen aktuelle Themen im Vordergrund – ob Klimaschutz, Verkehrswende oder soziale Gerechtigkeit. In diesem Sommer führte die Tour von Magdeburg durchs Rheinland bis zu uns nach Mönchengladbach.

Für unsere Schule war der Besuch eine einmalige Gelegenheit. Drei Tage lang konnten wir erleben, wie politisches Engagement, alternative Lebensformen und gemeinsames Feiern Hand in Hand gehen. Viele Gespräche entstanden – auf dem Pausenhof, beim Abendessen oder während kleiner Aktionen in der Stadt. Die Tour zeigt, wie Wandel konkret aussehen kann: klimafreundliche Mobilität, bewusster Umgang mit Lebensmitteln, basisdemokratische Entscheidungsprozesse und gegenseitige Unterstützung werden hier bereits praktiziert.

Waldorfpädagogik betont seit jeher das Zusammenspiel von Kopf, Herz und Hand. In den Tagen mit der Tour de Natur wurde genau das sichtbar: Politik wurde nicht abstrakt diskutiert, sondern durch konkrete Erfahrungen lebendig – ob beim Essen, beim Werkeln oder beim gemeinsamen Musizieren.

Als die Tour nach drei Tagen weiterzog, blieb ein starkes Gefühl der Verbundenheit zurück. Wir haben gesehen, wie 120 Menschen friedlich, nachhaltig und kreativ zusammenleben können – und das mitten auf unserem Schulgelände. Vielleicht hat das bei einigen auch Lust geweckt, selbst einmal bei einer Etappe mitzufahren oder sich auf andere Weise für Umwelt und Gerechtigkeit einzusetzen.

Die Tour de Natur und die Fläming Kitchen haben uns gezeigt: Veränderung beginnt im Alltag, im Miteinander und im gemeinsamen Handeln. Und sie beginnt oft mit kleinen Schritten – einer Fahrradetappe, einem Stück gerettetem Gemüse, einem offenen Gespräch. Wenn viele solche Schritte zusammenkommen, entsteht Bewegung. Und Bewegung, das hat uns die Tour eindrucksvoll vorgelebt, ist ansteckend. Nächstes Jahr wird es wieder eine Tour geben. Ich würde mich freuen Mitglieder unsere Schulgemeinschaft bei den Teilnehmenden der Tour begrüßen zu dürfen. 

https://tourdenatur.net/

Für die Schule: Simon Schmidt