Seit Ende August 2022 bin ich hier in Kanada. Mir gefällt es hier sehr, auch wenn ich ein bisschen Zeit gebraucht habe, um mich daran zu gewöhnen, ohne meine Eltern und meine Schwester zu leben. Ich habe mir den Schuldistrikt Abbotsford ausgesucht. Abbotsford ist eine kleine Stadt (kleiner als Mönchengladbach), ca. eine Stunde von Vancouver entfernt.

Ich lebe in einer Gastfamilie, die mich sehr herzlich aufgenommen hat. Ich habe zwei Gastschwestern, die Kinder meiner Gasteltern, die beide schon erwachsen sind. Die eine lebt noch zu Hause und die andere ist schon ausgezogen. Beide gingen auf die Schule, wo ich zurzeit hingehe. Im ersten Halbjahr hatte ich eine internationale Gastschwester aus Brasilien, die im Februar wieder nach Hause geflogen ist. Seit Januar habe ich nun eine Gastschwester aus Italien. Wir verstehen uns sehr gut. Meine Gasteltern sind sehr nett und herzlich. Die Schule, besonders das Schulsystem, ist hier anders als in Deutschland. Wir haben kein Klassensystem, sondern ein Kurssystem. Jeder darf am Ende des vorherigen Schuljahres acht Kurse wählen. Daher bin ich immer mit unterschiedlichen Menschen zusammen, wodurch ich viele Freunde gefunden habe. Meine Kurse im ersten Halbjahr waren Naturwissenschaften, Computer Programming, Theater und Mathe und im zweiten Halbjahr werde ich Unternehmertum und Marketing, Musiktheater, Physik und Sport haben.

Ich habe viel Spaß an allen meinen Fächern, auch wenn es anfangs nicht so einfach war. Seit den Osterferien habe ich nach der Schule Leichtathletik. Ich bin dem Leichtathletikverein der Schule beigetreten, wo ich jeden Tag nach der Schule hingehe. Das heißt, dass ich manchmal nicht vor 17 Uhr zu Hause bin. Die Schule startet ab 8:04 Uhr und endet um 14:28 Uhr. Vor einigen Wochen hatten wir schon erste Wettkämpfe mit dem Leichtathletikteam der Schule. Ich habe viele Disziplinen ausprobiert, wie z. B. Hindernislauf, wo ich Erste geworden bin, und andere Disziplinen wie Dreisprung und Hürdenlauf. In den nächsten Wochen gibt es die Qualifikationswettkämpfe für die British-Columbia-High-School-Championships. Da möchte ich auf jeden Fall hin!

Alle Lehrer sind nett, hilfsbereit und immer für einen Spaß zu haben. Auch wenn ich gerne hier zur Schule gehe, habe ich auch schreckliche Ereignisse erleben müssen. Anfang April gab es einen Amoklauf an der Schule. Es war ein Fehlalarm gewesen, aber zu dieser Zeit wussten wir das nicht. Also kam die Polizei und zeigte ihre Gewehre auf uns. Wir mussten unsere Hände hochhalten und ich dachte, dass ich gleich nicht mehr leben würde. An diesem Ereignis habe ich gemerkt, dass ich in Amerika bin (auch wenn es „nur“ Kanada ist, kann es trotzdem gefährlich sein, weil die Grenzen zu den USA nicht strikt kontrolliert werden).
Die Schule ist die größte in Abbotsford (sie hat über 1460 Schüler/innen). Dadurch haben wir eine große Auswahl, was Ausflüge betrifft. Mit der Schule war ich mehrere Male Skifahren, einmal River Rafting, Snowshoeing und Tubing, Ziplining, Wandern, Zelten, und sogar nach Victoria, die Hauptstadt von British Columbia, und Whistler sind wir gefahren.

Kanada ist ein sehr multikulturelles Land. Daher habe ich Menschen aus vielen verschiedenen Ländern kennengelernt: Brasilien, Mexico, Columbien, Spanien, Italien, Japan, China, Thailand, Korea, Indien, Ukraine, Russland, Pakistan, Jamaika, Österreich, Deutschland und natürlich Kanada. Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals Freunde aus so vielen, unterschiedlichen Kulturen finden werde!

Mit der Sprache hatte ich in den ersten zwei Wochen Probleme – ich habe mich nicht getraut zu sprechen. Aber dann habe ich gemerkt, dass man mich versteht und ich einfach nur die Begriffe umschreiben muss, wenn mir das direkte Wort nicht einfällt. Mittlerweile habe ich Probleme, Deutsch zu sprechen, da ich den ganzen Tag nur auf Englisch spreche und denke. Ich träume selbst auf Englisch!

Ein Auslandsjahr kann ich nur empfehlen. Es ist toll, andere Kulturen kennenzulernen und mal raus aus Deutschland und der deutschen Sprache zu kommen, auch wenn es manchmal nicht so einfach ist. Trotzdem freue ich mich auch wieder, nach Deutschland, nach Hause zu kommen!

Flora Vieweg, Klasse 10